Am WEINaugenschein: Alex Koblinger zu Gast im Winzerhof Stahl.
Es kann eigentlich nur Christian Stahl sein, der mit seinen Weinen Franken aufrüttelt. Einer, der seine Silvaner, Scheureben, Chardonnays & Co. nicht in die üblichen Bocksbeutel-Flaschen füllt. Einer, der seine Weine in der Vergangenheit schon einmal Rauschgift, Whiteout und Kalter Entzug genannt hat –  und zumindest für den Moment beim Bodenstoff gelandet ist.

Aber Christian Stahl aus Auernhofen (einer Metropole in Franken mit über 150 Einwohnern im Bereich Maindreieck) will nicht anecken, sondern seine Weine gemäß seinen Vorstellungen in die Flasche füllen. Das leicht angestaubte Image einer Bocksbeutel-Flasche (Stahl: „Meine Etiketten bleiben da einfach nicht kleben!“) sowie das Gestöhne eines jeden Weinverantwortlichen wenn es um das Verstauen, die Kühlung und das Handling dieser Flaschen geht, sind nicht sein Ding, hier im westlichsten Teil von Bayern an der Grenze zu Württemberg. Franken hat knapp 6.000 ha und liegt, als gesamtes Bundesland, in Bayern. Wir erweitern hier mehr als unseren Bierhorizont!

Mein deutscher WEINaugenschein führte mich im Frühjahr 2018 – die Reben standen gerade in vollem Saft – in das Taubertal zu Christian L. Stahl. Stahlhart im Nehmen ist auch jemand, der einen erst 1984 gegründeten Winzerhof, damals noch mit 1,5 ha Fläche und gemischter Landwirtschaft, zu einem der fränkischen Vorzeigebetriebe mit 30 ha aufbaute. Auch folgt Christian keinem Trend, sondern nur seiner Intuition, die ihm schon Auszeichnungen wie etwa „Jungwinzer des Jahres“ von Stuart Pigott und „Bester Nachwuchswinzer“ von Falstaff einbrachte. Echt hart!
Seine Weine teilt er bis auf ganz wenige nicht in Lagen, sondern in drei Linien ein:

  • Federstahl wird leicht eingeschenkt, für gesellige Abende die ganz schnell lang werden.
  • Die Damaszener Stahl-Serie steht für höchste Qualität.
  • Die Edelstahl-Weine sind in ihrer außerordentlichen Qualität sozusagen nur mehr für die Härtesten unter der Sonne…

Den Fokus legt Stahl neben Silvaner und Scheurebe auf die Rebsorten Weißburgunder als Weißabgleich, Riesling als Riesling, Grauburgunder als Graustufe und natürlich auf Chardonnay, wobei es hier den Einstieg ab der Edelstahl-Serie gibt. So coole Namen wie Domina, Regent, Schwarzriesling, Tauberschwarz und auch Pinot Noir finden zum Teil ihr Einsatzgebiet in der Brause – hier in einem Wein, der eine zweite Gärung hinter sich hat. Wir sprechen hier von Schaumwein, der die Brause wirklich innehat! Denn es wird nicht etwa mit Dosage aufgefüllt, sondern mit Traubensaft. Dadurch wird eine zweite Gärung ermöglicht, ohne dass der Alkohol in die Höhe schnellt. Da bekommt die Wortmeldung „Ich geh mal brausen!“ gleich eine andere Bedeutung.
Scheurebe verkostete ich als Damaszener Stahl oder Bodenstoff im Glas. Diese Scheurebe macht ihrem Ruf wirklich alle Ehre und hat mit Physalis und Ringlotte echte Asse im Ärmel… Für mich eine extrem spannende Kombination zu Sushi und der Schärfe von Wasabi!

Christian Stahl mit Blick auf sein Hasennestle, einer steilen und kalkhaltigen Lage.

Christian Stahl mit Blick auf sein Hasennestle, einer steilen und kalkhaltigen Lage.

Was war das Highlight? Eindeutig das Taubenzeller Hasennestle, ein Müller-Thurgau zum Niederknien. Er bleibt nicht plump, langweilig und ohne Säure im Glas stehen, sondern ist super frisch und trinkanimierend. Darüber hinaus freut man sich über Gänseblümchen, Kräuter, Limette und Grapefruit im Glas. Der Name „Hasennestle“ stammt von den Hasennestern, die damals bei der Rodung dieser wirklich steilen (68 Grad!) und kalkigen Lage entdeckt wurden.
Zum ersten Mal gesehen habe ich übrigens, dass zwischen den Lagen im Taubertal – ähnlich einer Muräne – Steine aufgeschüttet waren. Das sind Zeugen der beinharten Arbeit, als die Weingärten von Steinen befreit und zwischen diesen abgelegt wurden. Jetzt strahlen diese Steinzungen nachts die gespeicherte Wärme ab, fast wie ein Kachelofen, und helfen den Reben gegen den permanent durchziehenden Wind und der erhöhten Lage. Die Kalklagen entlang des Mains (über 250 MüdM)  sind noch wärmer als jene im Taubertal und „the place to be“ für Burgundersorten und Silvaner. Von hier kommen die Silvaner in der Damaszener Stahl- und Edelstahl Best of-Rüstung des Weingutes. Doch sie haben weder den Anflug einer Patina noch sind sie rostig oder opulent, sondern sie strotzen nur so vor Frische und Trinkfreudigkeit.
Der Silvaner Damaszener Stahl überzeugt mit seiner genialen Frucht nach Marille und Pfirsich, seiner mittleren Kraft und der super Säure. Am Gaumen kommen noch Würze, leichter Pfeffer, noch mehr Exotik und eine dezente, animierende Bitterkeit dazu. Einfach stark! Die „Best of-Variante“ ist voller, etwas weicher und cremiger und hat auch leichte Curryanklänge und Salzigkeit dabei – ohne jedoch die Marillen und Pfirsiche zu übertonen. Damit ist er ein optimaler Essensbegleiter, der so manch Geschmacksfallen locker umschifft…

Bei der Rückfahrt konnte mich eine Scheurebe Fass 500 bei bester Laune halten. Ein Wein für alle nur denkbaren Anlässe, der auf jeden Fall die Entspannung fördert wenn der ICE gefühlte drei Wochen Verspätung hat. 🙂

Gott sei Dank kann man diese genialen Weine in Döllerers Weinhandelshaus bestellen, sonst müsste man glatt einen DiebSTAHL begehen!

Verfasst von Alex Koblinger
Master Sommelier Alex Koblinger ist Service- und Qualitätsmanager in Döllerers Weinhandelshaus und zugleich Chef Sommelier in Döllerers Genießerrestaurant. Als 7-facher Sommelier des Jahres und einziger Master Sommelier in Österreich, ist er mit knapp 20 Jahren Erfahrung als Getränkespezialist noch immer fast täglich im Restaurant mit dem Korkenzieher unterwegs.