Das war nicht groß, das war schlichtweg sensationell! Chiara De Iulis Pepe kam anlässlich unseres WEINfestes in Kitzbühel Anfang März zum ersten Mal ever nach Österreich. Im Gepäck hatte Sie Top-Stoff vom Familien-Weingut – noch dazu in vertikaler Form zurück bis ins Jahr 1983 – mit!!!
Das Weingut
Auf eine über 120 Jahre lange Weingeschichte, die im Jahr 1899 seinen Anfang nahm, kann die Familie stolz zurückblicken. 1964 übernahm Emidio Pepe – ich nenn ihn mal den Boss – das Ganze und entwickelte es seitdem stetig weiter.
„Entwickeln“ bedeutet in diesem Fall nicht „technisch aufzupimpen“, sondern mehr und mehr Hand in Hand mit der Natur zu gehen. Was heutzutage zum Teil als marketingtechnische Strategie implementiert und/oder kommuniziert wird, wird bei Emidio Pepe seit jeher praktiziert. Seine Weinberge sahen noch nie eine chemische Keule oder sein Keller übertriebene technische Spielereien.
Torano Nuovo liegt ziemlich genau östlich von Rom, zwischen Ancona im Norden und Pescara im Süden – der Routenplaner zeigt knappe zwei Stunden und 15 Minuten für die Fahrt an. Die Weingärten vom Boss liegen in 10 Kilometern Entfernung vom Meer und haben in einem weiteren 10 Kilometer-Abstand die Berge hinter sich. Was für eine geile Kombi! Erinnert mich sofort ein bisschen an das Gebiet rund um Isonzo im Friaul, wo man die schneebedeckten Alpen im Rücken und das Meer vor sich hat.
Hier aber sind es nicht die Alpen, sondern unter anderem der Gran Sasso, welcher die höchste Erhebung des Apennins ist und circa 40 Kilometer entfernt thront. Ganze 15 Hektar kann Chiara mit ihrer Schwester, ihre Mama als Kellermeisterin, ihrer Tante als Marketing-Genie, ihrer Oma und Opa Emido alias „The Boss“ bearbeiten. „La famiglia rules“ wie es so oft in vielen kleinen Weingütern der Fall ist. Die 15 Hektar sind mit Trebbiano d’Abruzzo, Pecorino d’Abruzzo und Montepulciano d’Abruzzo bepflanzt, welche auf Kalk- und Tonböden im Gebiet der Colline Teramane wurzeln.
Sehr spannend ist, dass die Reben auf Pergolen erzogen werden und somit auch höher vom Boden weg sind. Durch diese Erziehung gibt es eine größere Laubfläche, um das Maximale an Fläche für die Photosynthese zu nutzen – die Trauben hängen zu 100 Prozent im Schatten. Dazwischen gibt es ein paar Rebzeilen ohne das Pergola-Erziehungssystem. Die Pergolen schützen vor der Sonne und die Zeilen dazwischen helfen bei nassen Bedingungen, da die Luft hier durchziehen kann. Dieses in Kombi mit der so gesuchten Schwankung zwischen der Wärme des Tages und der Kühle der Nacht – Gran Sasso lässt grüßen – ergibt langlebigste Weine.
Im Durchschnitt weisen die Weine oder Most einen PH-Wert von 3 auf und Chiara kann hier mit minimalster Schwefelzugabe oder gar keiner arbeiten. Auch Weine aus kühleren Jahren werden ohne oder mit noch nicht fertigem BSA (Biologischer Säureabbau) in die Flasche gefüllt, was die komplett natürliche Weinwerdung noch weiter unterstützt. Das leichte CO2 hilft hier außerdem als Rückgrat für langlebigste Flaschen.
Von den 15 Hektar sind nur knapp zwei Hektar mit dem Pecorino bepflanzt. Der Rest der Fläche wird von 70 % Montepulciano und 30 % Trebbiano eingenommen. Alle Pepe-Trauben werden seit eh und je mit den Füßen gestampft/gepresst, um schonendste Saftausbeute zu haben, ohne dabei die Kämme zu verletzten. Die Montepulciano-Trauben werden vorweg auch durch ein Gitter manuell gerebelt. Alle Weine sind spontan vergoren und sehen kein Holz im Keller. Die Weine reifen in großen Zement/Betontanks, welche mit Glas verkleidet sind. Alles in allem mehr als faszinierend diese Herangehensweise und Philosophie.
Die Verkostung der Superlative
Die erste Vertikale bestand aus drei Jahrgängen Trebbiano d’Abruzzo. Von diesem Wein werden nur wenige Flaschen zum Reifen aufgehoben. Während beim Montepulciano zum Teil 85 % der Jahresernte weiterreifen dürfen, sind es hier nur ein paar wenige Tausend Flaschen jährlich.
Der 2016er zeigte sich mit gelber Frucht wie etwa Birnen und Äpfeln und hatte eine dunkelgelbe, florale Note, welche am Gaumen mit super Säure und Salzigkeit hinterlegt war. Ein kühler Jahrgang. Man sollte hier auch selbst einen kühlen Kopf bewahren und die Flasche erstmal im Keller verstecken. Denn der 2013er zeigte einige Nuancen mehr, war noch tiefer und komplexer. Schlussendlich zeigte uns der 2004er auf, wo der Hammer hängt. Leicht rauchig, etwas reduktiv, extrem elegant und mit Power unterlegt – aber keine Alkoholpower, sondern Tiefe und Struktur. Einfach top!
Der Pecorino wurde mit zwei Jahrgängen eingeschenkt. Die Trauben wurden 2006 nordseitig gepflanzt und wurden mit 2010 erstmals in die Flasche gefüllt. 2011 gibt es keinen Wein dieser dickschaligen Rebsorte, die aus den Bergen kommt und von den Pepes bewusst neu gepflanzt wurde. „Pecorino“ heißt er deshalb, weil die Schafe, welche die Milch für den namensgleichen Käse liefern, seine Trauben zuerst zum Kosten bekommen haben. Der Pecorino ist im Gegensatz zum Trebbiano frühreifend und schon Ende August ready to pick. Der Trebbiano folgt zwei Wochen später und der Montepulciano ganze fünf bis sechs Wochen später. Die dicke Schale merkt man sofort, ist doch der 2016er würziger, mächtiger, fast pfeffrig. Der 2014er dagegen ist etwas dezenter, schlanker und wartet mit weißer Blüte und Ringlotten auf. Grandios.
Bei den Montepulcianos, welche nach zweieinhalb Jahren in die Flasche kommen, gab es einen 3er Flight aus 2015er (Graphit, Herzkirschen, etwas Lakritze und Unterholz), dem 2013er (Preiselbeeren, Lagerfeuer, Leder und Unterholz) und dem 2010er, der die meisten Bordeaux hinter sich lässt. Etwas Brett, Graphit, Oregano, dunkle Kirsche, Zwetschken und nasses Laub wurden hier unter anderem notiert. Ein Monument von einem Wein und von diesem Jahrgang wurden satte 85 % der Gesamtproduktion in die Keller zurückgelegt.
Das bringt uns auch schon zur zweiten Monte-Vertikale bestehend aus der Decanted-Edition. In den Kellern Pepes lagern 350.000 Flaschen zur Reife, da der Boss schon von Anfang an Flaschen zurücklegte, um das Potential dieser Weine und Gegend zu zeigen. Somit gibt es hier einen Riesenschatz, der Jahr für Jahr nach einem eigenen Schlüssel auf den Markt kommt. Es gibt somit die aktuellen Jahrgänge und die Jahrgänge, die Decanted wieder auf den Markt kommen. Die Weine werden auf dem Weingut dekantiert, mit dem gleichen Jahrgang wieder aufgefüllt und neu verkorkt (die Jahreszahl am Kork zeigt das Jahr der Neuverkorkung). Somit gibt es Jahrgänge bis zurück in die 70er Jahre, die perfekt gecheckt verkauft werden. Keine Ahnung, welcher hier besser war – der 2001er mit Oliven, Herbes de Provence und markanter frischer Säure (noch immer ein Baby) oder der 1997er, welcher weicher, zugänglicher war, aber noch grandioses Tannin hatte und dem man überhaupt nicht ansah, dass er schon weit über 20 Jahre auf dem Buckel bzw. Flaschenhals hatte. Der 1983er schmeckte nach Pilzen, Schlehen, schwarzem Pfeffer und war etwas reduktiv.
Sehr spannend ist hier zu bemerken, dass die Weine aus den gleichen Jahrgängen – sowohl die decanted, als auch die nicht-decanted – nach einiger Zeit wieder exakt das gleiche Aroma und die gleiche Struktur aufweisen.
Alles in Allem ganz großes Weinweltkino – danke für das dabei sein!
Ihr Alex Koblinger