Am WEINaugenschein: Alex Koblinger zu Gast im Johanneshof Reinisch.
Sechs Fäuste für ein Halleluja, oder wie auf der Rückseite der JR-Flaschen steht:

Drei Brüder mit zwei Terroirs und einem Ziel, nämlich feiner Wein.

Im Zuge unseres WEINaugenscheines ging es an einem grandiosen Frühlingstag (ja, auch ich habe bei meinen Vor-Ort-Inspektionen einmal Glück!) Richtung Tattendorf, 30 Kilometer südlich von Wien in die Thermenregion, um durch die Weingärten der drei Brüder Hannes, Michael und Christian Reinisch zu wandern. Auch war mein erklärtes Ziel, einen sehr tiefen Blick in deren Weinfässer zu werfen. Kaum angekommen, es war kurz vor acht Uhr morgens, ging es mit Hannes Reinisch auch schon raus in die Gärten. Auf dem Weg dorthin fand ich mich Aug in Aug mit aufgeschichteten Eichenrohlingen für neue Fässer wieder, die an der freien Luft getrocknet werden. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich jedoch noch nicht, was alles auf mich zukommen würde…

Es kann schon eine Weile dauern, wenn passionierte Experten ins Gespräch kommen...

Es kann schon eine Weile dauern, wenn passionierte Experten ins Gespräch kommen…

Bereits am Weg zu den Weingärten tauschen sich Hannes und ich angeregt über Historie und Eckdaten zur Rebsorte St. Laurent aus; etwa, dass weltweit ca. 4.000 ha mit dieser Rebsorte bepflanzt sind, davon knapp 800 in Österreich stehen aber ebenso unbekannterweise 1.200 ha in Tschechien beheimatet sind. Spannend ist auch, dass der eine Elternteil Pinot Noir ist und der zweite noch immer nicht definitiv feststeht – hier ist sich die einschlägige Fachliteratur nicht einig. Kurz vor seiner ersten Riede sprach ich Hannes auf die Unterlagsrebsorten an, denn ich war sehr an seiner Meinung über Fercal interessiert… und nur fünf Minuten später waren wir schon bei 41B, 420A und weiteren möglichen Kandidaten und PH-Werten. Wir tummelten uns in den Tiefen der Weinmaterie, oder salopp gesagt im „Nerd-Stuff“.
Die Rebsorte St. Laurent kam durch ihre Entdeckung im Elsass 1833 nach Klosterneuburg, wo sie in den 1950er-erstmals ausgepflanzt wurde. In der Thermenregion nimmt die Fläche mittlerweile wieder zu und es kann aus ca. 25 St. Laurent-Klonen gewählt werden. Die besten Klone sind jedoch, wie könnte es anders sein, jene vom Johanneshof Reinisch, von Josef Umathum und von Philipp Grassl. Faktencheck Ende.
Verkostungscheck Anfang: Der 2015er St. Laurent ist ein perfektes Beispiel für einen kirschigen und eleganten St. Laurent, der mit seinen Anklängen nach Oliven, Pfeffer und etwas Graphit ein Ausrufezeichen setzt. Ein zweites kommt definitiv mit dem Frauenfeld als perfekter Preis-Leistungswein hinzu – möglicherweise ist er auch ein Kandidat für die zukünftige Auszeichnung mit Döllerer-Sternen?

Die Lage Holzspur mit kargem, schottrigen Boden und hohem Kalkgehalt.

Die Lage Holzspur mit kargem, schottrigen Boden und hohem Kalkgehalt.

Die Lage Kästenbaum ist einer der Schätze der Brüder –  halleluja, liegt diese Lage genial! Auf knapp 450 MüdM wird hier 14 Tage später als in den Tattendorfer-Lagen gelesen, denn der kühle Wind vom nördlichen Wienerwald zieht hier (wie die Wildschweine) kontinuierlich durch. Und jetzt kommt‘s: Die 4,5 ha der Brüder sind mit Klonen der berühmten Domaine Romanée Conti sowie einem weiteren Burgunderklon bepflanzt! Der Ertrag ist mit durchschnittlich 15 hl/ha bis maximal 20 hl/ha verschwindend gering. Eine Traube dieser Lage oder auch der Riede Holzspur sind teilweise nicht einmal einhundert Gramm leicht. Welch große Leseaufgabe für die Brüder und ihre 18 Mitarbeiter! Als nächstes stoppen wir bei der Zierfandler-Lage Spiegel, die zum Teil mit einer 600 Jahre alten Steinmauer umgeben ist, um danach den Busserltunnel – der Tunnel ist so lange, wie ein Busserl auf dieser Zugdurchfahrt dauert – und den heiligen Urbanus der Thermenregion zu sehen.

Im Weingut durfte ich dann zuerst den heimlich vor sich hinschlummernden Rotgipfler-Zierfandler aus dem Fass, dem Tank und der Amphore probieren. Von reduktiv bis etwas breiter und voller zeigten sich hier alle Facetten und mein Verkostungs-Enthusiasmus entzündete sich. Bei der Probe der einzelnen Lagen mit den diversen Pinot Noir-Klonen aus den Fässern war ich hin dann und weg. Egal ob der feinfruchtige, hellbeerige deutsche Klon, der würzige Burgunder-Klon oder der elegante und tiefe, leicht blaufruchtige Nuits-St. Georges-Klon. Leider spielte die Zeit gegen mich… sonst säße ich wahrscheinlich heute noch mit Hannes im Gewölbe.

Mein Conclusio: Es kann sich jeder glücklich schätzen, der mit diesen grandiosen Weinen – wie unserer exklusiven Merlot-Abfüllung – arbeiten darf. Tradition trifft Moderne, wie es auf der Homepage des Johanneshofes Reinisch steht, ist zu 100 % richtig wenn ein Weingut, wie das der Winzerfamilie Reinisch, 1923 gegründet wurde und bereits in vierter Generation geführt wird. Jedoch sprechen wir hier nicht von verstaubter Tradition: Die Serie ist dynamisch, macht Spaß im Mund, hat Identität und Power.

Kurzum:
HALLELUJA, ist das genial!

Mehr über die begnadeten Winzer und ihre Weine erfahren Sie hier.

Verfasst von Alex Koblinger
Master Sommelier Alex Koblinger ist Service- und Qualitätsmanager in Döllerers Weinhandelshaus und zugleich Chef Sommelier in Döllerers Genießerrestaurant. Als 7-facher Sommelier des Jahres und einziger Master Sommelier in Österreich, ist er mit knapp 20 Jahren Erfahrung als Getränkespezialist noch immer fast täglich im Restaurant mit dem Korkenzieher unterwegs.