Am WEINaugenschein: Alex Koblinger zu Gast im Weingut Kollwentz.
… der Korkenzieher dreht durch! So könnte man meine Gemütslage beim Besuch auf dem Weingut von Andi und Heidi Kollwentz in Großhöflein beschreiben. Andi gilt als „Zehnkämpfer“ der Winzer und gehört mit seinen Weiß-, Rot- und Süßweinen zur absoluten Speerspitze Österreichs. Vielleicht ist „Besuch“ nicht das optimale Wort, denn Andi hatte für den Nachmittag 20 Weine vorbereitet und  am Abend wurden weiteren neun der Korken gezogen. Eher war es ein „Wein-Großkampftag“, dem ich mich tapfer und ohne mit der Wimper zu zucken stellte. 🙂

An sich ist Andi ein Langstreckenläufer, und das mit definitiv besseren Kilometerzeiten als ich. Also war es nur zu meinem Vorteil, dass wir die 25 ha Weingärten des 1775 gegründeten Weingutes, die übrigens – für Österreich sehr ungewöhnlich – jeweils zur Hälfte mit weißen und roten Trauben bepflanzt sind, in seinem Oldtimer Mercedes erkundeten. Unsere Tour führte uns vom Haussatz, der Lage aus der zum Großteil die Trauben für die würzige Cuvée Eichkogel stammen, auf die gegenüberliegende Seite zur leicht abfallenden Lage Neusatz. Von deren unterem Teil kommt der Zweigelt Steinzeiler. Die originale Lage „Steinzeiler“ ist leider nur mehr in Fragmenten Richtung Müllendorf auf ca. 270 MüdM erhalten. Der obere Teil ist als „Chardonnay-Land“ von Kalk geprägt. Die Blaufränkisch-Lage Point, erstmals im Jahr 1570 im Besitz der Esterházy erwähnt, liegt etwas höher und zugleich über der Riede Haussatz. Point bringt auf sandigem Mergel Jahr für Jahr besten Blaufränkisch hervor. Dann geht’s kurz steil bergauf und wir stehen, vom Wind umspielt, in der Riede Gloria vor einem Kalksteinmarterl. Es wurde aus einem der drei gigantischen Kalkfelsen gehauen, die man hier auf bis zu 325 MüdM fand.

Ein Kilometersteher zu den berühmtesten Lagen und Anbaugebieten.

Ein Kilometersteher zu den berühmtesten Lagen und Anbaugebieten.

Das Marterl aus Kalkfels wacht über die Riede Gloria.

Das Marterl aus Kalkfels wacht über die Riede Gloria.

Diese superbe Lage besticht immer wieder aufs Neue durch Eleganz und Würze; sehenswert ist dort auch der Kilometersteher zu den berühmtesten Lagen und Anbaugebieten. Darunter liegt die Lage Dürr – nach Süden ausgerichtet und mit ihrem Kalkuntergrund ist sie ein wahres Schlaraffenland für die Rebsorte Pinot Noir. Dann noch ein kurzer Abstecher in die Tatschler-Lage, die mächtigere und nussigere Chardonnays hervorbringt, und zur Neuauspflanzung im Katterstein. Hier lassen Schiefer und Kalk die Weine besonders salzig, kühl und straff werden – man kann sich getrost auf die nächsten Jahrgänge freuen!

Anton Kollwentz, einer der absoluten Pioniere des österreichischen Weinbaues, hat das Qualitätsfundament des Hauses mit ausgesuchten Lagen und Trauben, seiner Art der Weinbereitung und mit viel Stil und Konstanz aufgebaut. Sein Sohn Andi und dessen Frau Heidi setzten darauf auf und arbeiten stetig an diesen Erfolgsfaktoren. Beispielsweise wird bei den Kollwentz ein Weinfass im Keller nie trocken, denn die Weißweine bleiben für ein Jahr auf der Hefe und werden erst ganz kurz bevor der neue Jahrgang in die Fässer kommt, abgezogen. Dabei werden rund ein Drittel neuer Fässer für einen funktionierenden Kreislauf eingesetzt. Es gibt hier keine Amphoren und weder Insektizide, Herbizide, Eichenchips oder künstliche Tannine. Einfach „nur“ die besten Trauben der besten Lagen, zum optimalen Zeitpunkt gelesen PUNKT

In der Winzerbranche gilt das Sprichwort, dass ein achtbarer Winzer auch in schlechten Jahren guten Wein erzeugen kann. Wir hatten aber keine guten Weine. Nein, wir verkosteten ausnahmslos Vorreiter und Beispiele für das, was überhaupt im Glas und am Gaumen möglich ist (und das zeigte sich konstant bei allen von mir bisher verkosteten Weinen):

„Allesamt können sie immer und überall blind bestellt werden. Die Weine der Familie Kollwentz sind einfach Weltklasse – und ein absolutes Paradebeispiel für den österreichischen Weinbau!“


Meine Verkostnotizen:

  • Frischer Auftakt zum Nachmittag: Zweigelt Rosé
  • Flight 1: Chardonnay | Lagen Neusatz, Katterstein, Gloria

*Lage Neusatz: Insgesamt 25 ha groß, wurde sie von Familie Kollwentz erstmals im Jahr 2011 als Lage gefüllt. Neu ist an der Lage, die schon im 1750 bewirtschaftet wurde, aber eigentlich nichts. Sie steigt vom Hangfuß des Leithagebirges bis ca. 215 MüdM. Von der Gesamtfläche sind 15 kalkhaltige ha dem Chardonnay gewidmet, auf den weiteren 10 ha mit lehmhaltigerem Boden wird Zweigelt angepflanzt. Der 2015er Chardonnay Neusatz ist mit reifer, satter Birne sowie Apfelfrucht und mit einem langen und eleganten Abgang ausgestattet.

*Lage Katterstein: Der zweite Chardonnay kommt von einer Schieferlage mit 25 % Kalkanteil. Wir hatten mit dem 2014er-Jahrgang den ersten Jahrgang dieses Weines im Glas: sehr geradlinig, rauchig, salzig – ja burgundisch. Bereits auf der Prowein konnte dieser Chardonnay restlos überzeugen, und erneut hat er mir große Freude bereitet. Die Riede Katterstein, um 1570 erstmals erwähnt, liegt höher als die Lage Neusatz und endet auf rund 300 MüdM am Waldrand. Der Schiefer als eigentlicher Kern des Leithagebirges stellt die Verbindung zwischen Karpaten und Kalkalpen her.

*Lage Gloria: Gloria ist nicht nur die höchstgelegene Riede von Andi und Heidi, sondern auch die des Leithagebirges. Sie reicht bis knapp 325 MüdM hinauf und ist mit 5 ½ ha (davon sind 3,2 fast komplett von Wald eingegrenzte Hektar in Kollwentzhand) flächenmäßig nicht die größte. In Hinblick auf Qualität ist sie jedoch ein RIESE! Auch verträgt diese Lage etwas mehr neues Holz, meist sind es bis zu 40 %. Der 2013er in meinem Glas offerierte ein super Lagerpotenzial, und dennoch bietet er auch schon in seiner Jugend allerbeste salzige Charakterzüge und Trinkspaß. In einem Top-Zustand präsentierte sich der 2008er, der gegen den 2013er etwas leichter und kühler, einfach filigraner wirkte. Ein toller Vergleich dieser konträren Jahrgänge!

  • Flight 2: Chardonnay | Lage Tatschler
    Nur 2,3 ha der insgesamt 12 ha großen Lage werden von Andi betreut. Tatschler ist eine Kessellage östlich von Großhöflein mit größtenteils Schieferböden und weniger Kalkanteil. Die Chardonnays dieser Lage sind immer die opulenteren und volleren des Weingutes und lassen zumeist Aromen von Haselnuss und reifen Früchten erkennen. Wir hatten vier Jahrgänge im Glas:
    *2015: Haselnuss, reifer gelber Apfel, cremig und weich
    *2013: klarer, frischer, salziger, „kühler“
    *2010: sehr geradlinig, super frisch, rauchig, „Langstreckenläufer“
    *2009: blumiger, wiederum Haselnuss und Mandel, gerade am Anfang seines Potenzials im Glas

Ein super Flight – sehr spannende und klar erkennbare Jahrgänge nebeneinander. Darüber hinaus zeigte sich nicht der kleinste Wackler bei der Konstanz. Wow!!

  • Flight 3: Cabernet Sauvignon | Lage Setz (zum Teil)
    Bei dieser Rebsorte stehen die Stöcke nicht auf Kalk. Anton Kollwentz pflanzte die ersten Reben im Jahr 1981 und wir hatten das Privileg, den ersten gefüllten Jahrgang (1983!) im vierten Glas zu haben. Dieser wurde laut Andi ohne biologischem Säureabbau gefüllt und zeigte sich im Glas optimal reif! Top! Doch davor verkosteten wir weitere drei Jahrgänge des Cabernt Sauvignons:
    *2011: Cassis, toll eingebundene Tannine, viel Kraft, dunkle Beeren
    *2009 aus der Magnum: etwas mehr schwarzer Pfeffer und reifere Frucht im Vergleich zu den Jahrgängen 2011 und 2006
    *2006: exzellent, perfektes Tannin-Fruchtspiel, Cassis-Beerenkombination
  • Flight 4: Blaufränkisch | Lage Point
    Die Riede Point (5 ½ ha) wird seit 1848 vom Weingut bewirtschaftet und ist eine Südlage in einer der wärmsten Bereiche des Leithagebirges, wobei der Boden einen Tonanteil von 30-35 % aufweist. Meine Verkostungsnotizen zu den vier Jahrgängen dieser Lage sind wiederum eingekringelt und mit einem Ausrufe- und drei Pluszeichen versehen.
    *2014: die Ausbeute dieses Jahrganges könnte laut Andi mit etwas Anstrengung von der Familie selbst getrunken werden (bitte nicht!!), elegant, fruchtbetont, blaubeerig
    *2011: dunkler, würziger, Heidelbeere und Brombeere
    *2009: reife Herzkirschen, Himbeere, rund und satt
    *2002: Graphit, beerig und würzig mit etwas Tabak
  • Flight 4: Steinzeiler
    Der Steinzeiler führt seit sechs Jahrzehnten die Qualitätsspitze des Weingutes an. Ursprünglich wies der Name auf eine eigene Riede hin, die heutzutage jedoch nur mehr in Fragmenten besteht. Für das Aushängeschild der Winzerfamilie werden jeweils die Herzstücke der Rieden Point und Setz für den Blaufränkisch-Anteil genommen und mit 20 % Cabernet Sauvignon und Zweigelt cuvéetiert. Ein internationaler Ausnahmewein!
    *2009: dunkel, würzig, ganz langer Abgang, Brombeere
    *2007: Heidelbeere, Cassis, super Säure
    *2006: Graphit, noch sehr jugendlich, elegant
    *2003: einfach super!

Sie haben sicher schon erkannt, dass ich einen riesen Spaß mit Andi und Heidi Kollwentz hatte und diesen Tag für mich als GANZ GROSS abspeichern werde!
Einen Überblick über all die grandiosen Weine von Andi Kollwentz können Sie sich hier verschaffen.

Verfasst von Alex Koblinger
Master Sommelier Alex Koblinger ist Service- und Qualitätsmanager in Döllerers Weinhandelshaus und zugleich Chef Sommelier in Döllerers Genießerrestaurant. Als 7-facher Sommelier des Jahres und einziger Master Sommelier in Österreich, ist er mit knapp 20 Jahren Erfahrung als Getränkespezialist noch immer fast täglich im Restaurant mit dem Korkenzieher unterwegs.