Das ist mal eine geniale Ecke der Weinwelt! Am Fuße des Bergs des Keilers (ital. „Monteverro“) liegt das gleichnamige Weingut, hier in der Maremma in Sichtweite von Capalbio – die Agnellis und Co. winken herunter – und in erfrischender Brisenweite des tyrrhenischen Meeres. Capalbio befindet sich am südlichsten Zipfel der Toskana, an der Grenze zur latiumischen Maremma, die Halbinsel Monte Argentario und die Inseln Giannutri und Giglio in Sichtweite. An schönen Tagen kann man auch die Insel Elba am Horizont erkennen. Rom ist zwar nicht ganz in Vespaweite, aber dennoch nicht weit davon entfernt. Zählen die Strände von Monte Argentario noch zu den Geheimtipps für Sonnenanbeter, sind die Weine von Monteverro in den letzten Jahren zu den Must-Have-Bottles in jedem so halbwegs seriösen Weinkeller geworden.
Eigentlich würde ich sowieso behaupten: „Die spinnen, die Römer!“, denn dieses Fleckchen Trauben-Dolce-Vita wurde erst Anfang der 2000er von Julia und Georg Weber entdeckt und in ihre Obhut genommen. Ein „High five“ von der Sommelierseite für diese Entscheidung!
Hinter dem Weingut beginnt die Macchia und Obelix hätte seine helle Freude mit den dort rumlaufenden Wildschweinen gehabt. Wir sammeln hier aber keine Hinkelsteine oder jagen Keilern und Bachen nach, sondern suchen in den grandios angelegten Weinbergen, welche sich zwischen 30 und 80 Meter über dem Meer befinden, nach den Schlüsseln der Monteverro-Qualität. 42 von 64 Hektar sind mit Reben bepflanzt. Im restlichen Teil sonnen sich die Oliven und die Macchia kann ihre Magie walten lassen.
Die erste Spur haben wir in Nullkomanix gefunden: den Boden. Dieser besteht aus roter Tonerde, welche von Steinen durchzogen ist. Ein super Terroir, in dem die Reben wirklich tief wurzeln müssen, was ihnen im heißen Sommer absolut zugutekommt, da im Boden das Wasser aus dem Winter gespeichert ist. Dies in Kombination mit den kühlen Meeresbrisen, den Winden aus dem Hinterland und den vielen Sonnenstunden ergeben eine super Frische und Säure in den Weinen. Eine ausführliche Bodenanalyse des Monte und seinen zwei Nachbarerhebungen matchte Cabernet Franc und Co. mit der potentiellen Traum-Mikroklima-Ausrichtungs-Boden-Parzelle. Simone Salamone braucht hier kein Miraculix sein, um ein grandioses Traubenmaterial aus den von Anfang an organisch-biologisch und mittlerweile teils biodynamischen Weingärten zu zaubern. Für mich eine perfekte Kombi, wenn man die Weine probiert.
Den Job von Matthieu Taunay – seit der ersten Lese 2008 als Majestix im Keller des Hauses tätig – möchte eigentlich ich haben, aber dann auch wieder nicht, denn Matthieu muss eine besonders „coole Socke“ sein. Um dieses Potenzial in die Fässer und Flaschen zu bringen, ist die „Pressure“ so was von „on“ – umso mehr unter den beratenden Argusaugen von Michel Rolland. Sobald man die Weine im Keller verkostet, merkt man, dass Matthieu dieses Potenzial noch gesteigert hat. Gearbeitet wird nach dem Prinzip von Isaac Newton und selektivster Fassauswahl.
Cäsar hätte seine Freude mit diesem Fasskeller als Repräsentationshalle gehabt. Auch ich blicke jetzt ehrfürchtig aus dem Verkostungsraum auf diesen. Insgeheim denke ich mir, was wohl Michel Rolland, hier als Berater tätig, beim ersten Anblick des Kellers durch den Kopf ging.
Verkostet wurde die Bandbreite mit Jahrgangstiefe Monteverros – wo sind die Highlights? Der Asterix in mir ist ob der großen Vielfalt sehr unschlüssig, denn der Verruzzo, „der Frischling“, schmeckt mit seiner frischen Frucht und Säure perfekt zu Pasta und Co. Übrigens ist er der einzige Rote, in dem der Sangiovese bis zum 2017er eine Rolle bekommt, danach ist Syrah als Partner dabei. Der Vermentino, hier nicht die opulente und breite Sorte, steht mit seiner Blumigkeit und Ringlotte super neben dem Chardonnay mit seinem äußerst feinen Holz- und Betoneinsatz.
Der Terra di Monteverro ist sozusagen der kleine Bruder des Monteverro, wird jedoch gleich penibel behandelt und stammt zum Teil von anderen Parzellen. Der Preis-Leistungs-Knaller aus Capalbio hat außerdem eine etwas andere Traubenzusammensetzung seines Bx-blends.
Der Monteverro ist das momentane Baby der Monteverro-Weine. Die ersten paar Minuten erwische ich mich, wie ich immer wieder und wieder ins Glas rieche oder fast schon schnüffle. Das ist was Großes und Tiefes, es zeigt Nuance um Nuance und ich habe die Fährte aufgenommen wie Obelix auf der Suche nach einem Verro. Das jugendliche dunkle Rubinrot steht den kräftigen Schlieren super. Meine Nase kann sich nicht entscheiden, ob ich zuerst den Cabernet Sauvignon mit seinen kräftigen Cassisnoten oder doch den Cabernet Franc mit seinen grünen Facetten als erstes wittere. Graphit, Tabak und Kohle sind auch noch da sowie reife Brombeeren, Heidelbeeren, Maulbeeren und rosa Flieder. Bei diesem perfekten Holzeinsatz höre ich es wieder pfeifen – das Schwein. Einfach top! Und weiter geht die Jagd! Diese Milchkaffee- und Nougataromen, die durch super feines, samtiges aber nicht geschliffenes Tannin gehoben werden. Stopp – jetzt kreuzen feine Espresso-, Paprika- und rote Chiliaromen meinen Weg. Dann gibt mir der grandios lange Abgang des Gesamtpaketes Zeit, um mich gedanklich nach einem perfekt gegarten Chateaubriand zu sehnen. Und im letzten Moment erwische ich mich gerade noch dabei, dass ich auf Zehenspitzen – um den Verro auch ja nicht zu verschrecken – auf den Weg zum Humidor mache.
Der Tinata aus dem großen Jahrgang 2010 funkelt mit einem mittelkräftigen Rubinrot aus dem Glas. Diesen für die Toskana ungewöhnliche Blend aus 70 % Syrah und 30 % Grenache kennen wir sonst eher aus der Rhône in Frankreich. Na Bumm, die Macchia grüßt hier mit getrockneten Kräutern. Lorbeerblatt, Rosmarin und Lavender strecken die Hand in Richtung mit Oliven, Graphit und schwarzem Pfeffer geräucherten Speck aus. Ein Wein prädestiniert für Idefix und andere Spürnasen auf der Suche nach Komplexität. Der Wein ist am Gaumen herrlich angereift und erweitert sich um Fruchtaromen wie Schwarzkirsche, Zwetschken, aber auch etwas reife Himbeeren und Preiselbeeren. Eine erfrischende Säure passt perfekt zum Körper des Weines und dem optimal integrierten Holz, welches sich durch dezentes Nougat bemerkbar macht. Jetzt kommen noch getrocknete Rosenblätter und Amarenakirschen durch. Ein Wein, wie gemacht für gewisse Stunden, wo die Begleitung durchaus auch eine gebratene Taube sein könnte. Ich bin happy und die Rhône zittert mehr als die Korkeiche, die von den Trauben im Ton- und Kalkstein umgeben, im Monteverro-Garten steht.
Alles in allem lässt mich das Ganze etwas sprachlos zurück und ich denke mir mal wieder: „Alter, mein Schwein pfeift, ist das großartig! Danke für diese Weltklasseweine und – wie schon erwähnt – „Die spinnen, die Römer!“