Natürlich hatte ich das Glück mich beim einzigen, nennen wir es „suboptimalen“ Tag, auf den Weg ins Traisental zu machen. So ging es mit einem umgeklappten Regenschirm und ohne Jacke – die hing tapfer in Golling – mit Tom Dockner in seine Weingärten. Die Fernsicht war an diesem Tag etwas eingeschränkt, so konnte ich das Tullnerfeld, den Wiener Wald und den Ötscher, welche man von den höheren Weingärten sehen sollte, nur erahnen. Spätestens beim Verkosten war aber alles vergessen.

Die Weine veranlassten eine wohlige Gänsehaut und versprachen schon beim erstmaligen Hineinriechen viel Spannendes. Denn ich schmeckte eingefangenes und in die Flasche gebrachtes Terroir, sozusagen den Kalk auf meinen Lippen. Die Weine haben einen ungemeinen Trinkfluss, sind balanciert und machen Spaß, ohne dabei gefällig oder gar austauschbar zu sein. Sie haben Tiefe, Kraft und Länge, moderaten Alkohol und sind obendrein auch noch so richtige „value-for-money-bottles“ wie es so schön heißt.

Wenn man sich in der Weinwelt bodentechnisch umsieht, merkt man, dass mitunter nicht die schlechtesten Weine von Stöcken kommen, die ihre Wurzeln tief im Kalkuntergrund stecken haben. Tom kann großartige kalkige Weingärten sein Eigen nennen und hat zudem weitere Trauben-Trümpfe im Ärmel – sei es der Veltliner, Riesling oder auch die geniale Traminertraube, welche hier verhätschelt werden. Die einzelnen Weingärten sind zum Teil terrassiert und reichen bis auf über 400 Höhenmeter. Diese Facts in Kombination mit den Wäldern, den kühlen Winden, der Donau als Wärmeregulator und den Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht ergeben die Pluspunkte, denen die Weingärten und deren Trauben eine richtig spannende Frucht-Säure-Kombi verdanken.

Aber Vorsicht! Unmengen von Wein werden von Tom nicht auf seinen Weingärten von knapp 20 ha produziert. Da gibt es den sehr steilen Pletzengraben, den kühlen und hochgelegenen Theyerner Berg, den Ried Hochschopf – was für ein Veltliner – oder auch der Parapluiberg, der einen tollen Riesling hervorbringt.

Ein Pfeil im Köcher zu diversen küchentechnischen Herausforderungen ist der sehr elegante und nicht schreiende Traminer aus der Riede Pletzengraben, der aus Gelbem und Gewürztraminer gekeltert wird. Aromen von Jasmin, Bauern- und Pfingstrosen, aber auch Orangen, Kumquat und Co. gehen mit einer leichten Restsüße und super Säure im Gleichschritt. Mein erster Gedanke dazu: Blauschimmelkäse sofort aus dem Kühlschrank raus oder gleich mal Rezepte für würzige indische oder asiatische Gerichte googeln. Googeln brauchen wir definitiv nichts, wenn wir Wildgeflügel oder Rehrücken auftischen, denn die Flasche Pinot Noir Ried Hochschopf passt mit den Aromen von roten Beerenfrüchten, Kräutern und dezentem Holzeinsatz wie die Faust aufs Auge dazu.

Die Weine bleiben nachhaltig am Gaumen – das „zertifiziere“ ich hier mal. Nachhaltig zertifiziert ist auch das ganze Weingut von Tom. In Kürze kann Tom weinkellertechnisch aus dem Vollen schöpfen, denn der neue Keller steht in den Startlöchern sowie die neuen Labels der TOM-Serie. Soviel sei verraten: Auch ein Farbenblinder sollte seinen Favoriten aus dieser Serie herauskosten können.

Wer selten Wein aus dem Traisental trinkt, wird sich nach einem Schluck, oder auch zweien, wundern, wieso er dieses spannende Weinbaugebiet noch nicht am Radar hatte. Groß an Fläche sind weder das Traisental noch die Weingärten von Tom, aber dafür sind sie einfach großes Kino!

Alex Koblinger MS

Verfasst von Alex Koblinger
Master Sommelier Alex Koblinger ist Service- und Qualitätsmanager in Döllerers Weinhandelshaus und zugleich Chef Sommelier in Döllerers Genießerrestaurant. Als 7-facher Sommelier des Jahres und einziger Master Sommelier in Österreich, ist er mit knapp 20 Jahren Erfahrung als Getränkespezialist noch immer fast täglich im Restaurant mit dem Korkenzieher unterwegs.