Die Weine von Lichtenberger González
Es ist nicht die klassische österreichische Winzerfamilie oder Historie, die Adriana und Martin verbindet. Die beiden lernten sich bei einem Praktikum 2007 in Kalifornien kennen und kelterten zwei Jahre darauf mit dem Jahrgang 2009 schon ihren ersten gemeinsamen Wein. Die Weingärten von Lichtenberger González in Breitenbrunn befinden sich seit geraumer Zeit in Familienbesitz und wurden den beiden Jungwinzern von Martins Opa übergeben. Beide, Martin und Adriana, sind wunderbare Menschen die doch nicht unterschiedlicher sein könnten. Adriana, aus dem spanischen Galizien, und Martin, aus Breitenbrunn im Burgenland, vereinen Attribute die in dieser Kombination selten zu finden sind.
Flaschenweise Temperament und Gelassenheit
Bei unserer Verkostung brachte ein Kommentar das Zusammenspiel auf den Punkt: Auf der einen Seite die Gelassenheit des Burgenlandes und auf der anderen Seite das Temperament Spaniens, welches sich nicht nur im Glas wiederfindet. Beide gehen bzw. gingen – Adriana brachte die gemeinsame kleine Tochter Alba zum ersten Mal zu einer Verkostung mit – einem Vollzeitjob als Weinmacher bei namhaften österreichischen Winzern nach. Martin ist Kellermeister bei Gernot und Heike Heinrich und Adriana bei Birgit Braunstein. Die Freizeit der beiden ist rar und so kann man sich vorstellen, wie viel Herzblut und sogenannte „Frei“-Zeit in den eigenen Weingärten und damit auch in den Weinen steckt. Diese Konstellation erhält jedoch die nötige Freiheit und Sicherheit, sich mit seinen Weinen keinen Dogmen zu unterwerfen. Es bleiben „nur“ die eigenen hochspannenden vinophilen Vorstellungen und die Hingabe für den damit verbundenen Geschmacksstil der Weine.
Die Rebstöcke, auf die Martin und Adriana zurückgreifen können, sind bis zu 50 Jahre alt und liegen am Leithagebirge. Die Böden sind geprägt von Kalk und Schiefer und sollten mit der Kombi aus kühlendem Wald und dem mildernden Neusiedlersee eigentlich Garanten für eigenständige und unverkennbare Weine sein – hier sind sie es auf alle Fälle. In den letzten Jahren ist die Weinfläche von anfänglich knapp 4,5 ha auf sieben ha gewachsen, da Martin und Adriana vermehrt Weingärten mit Altbeständen von Weinbaubetrieben angeboten werden und sie diesen „Boden“-Schätzen nicht wiederstehen können, zurecht.
Die drei Linien von Lichtenberger González
Das Sortiment der beiden ist straff und übersichtlich und wird von drei Linien geprägt: Muschelkalk in rot und weiß, ist die – wenn man sie so nennen möchte – Einstiegslinie. Danach folgt die würzige Leithaberg-Linie, die ebenso in beiden „Farben“ geöffnet werden kann. Die Linie Blaufränkisch Vorderberg kann ohne weiteres als die Speerspitze bezeichnet werden. Abgerundet wird das Angebot noch durch eine Miniauflage von einigen weiteren Weinen, die sich bei einer jährlichen Produktion von nur 15.000 Flaschen von selbst ergeben. Bei unserer nachmittäglichen Weinwerkstatt-Verkostung und dem abendlichen Weinstammtisch mit Lichtenberger González hatten wir die einzigartige Möglichkeit, die komplette Serie in Ruhe zu verkosten.
Nachmittags hatten wir schon einiges vor. Wir starteten mit jeweils einem Muschelkalk weiß 2015 und einer Fassprobe 2016 als auch einem Leithaberg weiß 2015, wiederum mit einer 2016er Fassprobe.
Die Muschelkalk-Serie, in weiß gehalten, ist hauptsächlich Grüner Veltliner mit Welschriesling und Weißburgunder, welche zum Teil als gemischter Satz in diesem Wein Einsatz finden. Jede Charge aus den bis zu 35-jährigen Weingärten wird wie bei allen Weinen einzeln vergoren, auch mit zum Teil kurzer Maischestandzeit, und separat behandelt. So können diese hernach in Ruhe und mit der eigenen Charakterstärke versehen, geblendet werden. Beide Jahrgänge dieser Einstiegsserie sind mit einer superben Straffheit, Würzigkeit und Trinkfreude ausgestattet. Unterlegt werden die vielseitigen Aromen – Orange, Mandarine, Lebkuchen usw. – mit einer leichten Tanninstruktur. Sensationelle „Einstiegsweine“ in das Sortiment der beiden, noch dazu zu einem super Preis-Leistungsverhältnis.
Der Leithaberg weiß-Flight war aufgrund der Rebe – die Weine sind reinsortig Neuburger – schon ein erwartetes Verkosterlebnis. Von Martin und Adriana wurden die Eigenheiten des Neuburgers, wie etwa dessen hoher Pektinanteil und die damit notwendige Maischestandzeit, welche bei ihnen bis zu zwölf Stunden dauern kann, anschaulich erklärt. Die Weine werden dann in Fässern von 200 bis 1.000 l gereift. Bitte hier nicht gleich auf monströsen Holzeinsatz schließen; das Gegenteil ist der Fall. Die Holzfässer, vor allem die neuen, werden mehrmals mit warmem oder heißem Wasser aufgefüllt um sie „weingrün“ zu machen. Hier steht der Holzeinsatz für ein Lagergebinde und nicht für immense Geschmacksbeeinflussung. Rosinen, Datteln, Feigen, reife Quitte und Minze sind einige der notierten Aromen. Die Mineralität des Kalkes und die damit verbundene Salzigkeit der Weine fügen eine weitere Dimension hinzu. Bitte unbedingt lüften und in einem großen Glas servieren. Super!
Weiter ging es mit einer Rarität, nämlich mit dem reinsortigen Weißburgunder von Lichtenberger González. Dieser Wein wird im 400 l-Fass ausgebaut und kommt wiederum von reinen Kalklagen. Gerade, straff, salzig, unterlegt mit Toast und Brioche und dennoch kamen nussige Attribute und kalter Rauch durch. Ein absoluter Weltwein der keine internationalen Vergleiche scheuen muss. Wir freuen uns schon darauf, ihn mit dem 2016er-Jahrgang in unser Sortiment zu bekommen!
Danach folgte eine Muskat Ottonel-Fassprobe aus dem 2016er-Jahrgang, der sich straff, würzig, kernig und kräuterlastig zeigte. Am Abend sollten wir den 2014er dieses Weines als Aperitif haben. Hier wiederum kamen neben Kräuteraromen, Würze und leichter Tanninstruktur auch Orangen und Marillen zum Vorschein. Ein perfekter Begleiter zum frühsommerlichen Löwenzahnsalat mit gegrilltem Frischkäse und knusprigem Speck.
Im Anschluss folgte der „inoffizielle“ Teil – die Grauzone – der Flights. Diese beiden Weine, die nicht im Verkauf sind, manifestieren die Experimentierfreudigkeit von Lichtenberger González.
Ein Rosé nach Saignée-Methode vom Blaufränkisch, bei dem danach noch zehn Prozent ganze Blaufränkischtrauben ins Holzfass dazukamen. Ein sehr erfrischender, rotfruchtiger Rosé der wiederum mit Würze und einer salzigen Mineralität punkten konnte. Danach wurde ein gemischter Satz eingeschenkt, aber Achtung: in Rot! Ein uralter Weingarten, den die beiden zu kaufen bekamen, zeigte hier seinen Schatz – Grüner Veltliner mit Welschriesling und Blaufränkisch, wobei der der Anteil der Weißweintrauben bei ca. 30 Prozent liegt. Unter anderem wurden Nougat, Graphit, Himbeeren und Weichsel notiert. Aber leider, leider werden diese zwei Weine den Weg nicht in den offiziellen Handel finden und nur als Verkostmuster zur Verfügung stehen. Bitte unbedingt bei Adriana, Martin und Alba vorbeischauen – mit Kenntnis dieses Textes bekommt man vielleicht etwas zum Probieren…
Die darauffolgenden Rotweine gibt es aber auf alle Fälle und diese sollte man sich nicht entgehen lassen. Der Muschelkalk rot ist immer eine Cuvée, die zum Großteil aus Blaufränkisch mit Zweigelt gekeltert wird. Der Wein liegt ein Jahr im Fass, ist spontan vergoren und die Maische wird händisch untergestoßen. Ein perfekter Start in die Rotweinlinie der Jungwinzer. Der 2014er zeigte sich cool, straff und mit weißem Pfeffer unterlegt. Ein Wein, der zum Trinken einlädt und mit Frische und Trinkfluss punktet. Der 2015er dagegen ist etwas voller und reifer – so wie es bei diesen Jahrgängen auch sein sollte. Schwarzer statt dem weißen Pfeffer, dunkle Beeren und Würze, super!
Der Flight im Anschluss überzeugte mit drei Rotweinen: zwei Jahrgänge vom Leithaberg 2013 und 2014, beide reinsortig aus der Blaufränkischtraube. Hier treffen die Trauben aus drei Kalklagen mit einer reinen Schieferlage zusammen. Ein perfekter Mix aus Mineralität und frischer Beerenaromatik. Im Vergleich zeigte sich der 2013er etwas voller als der frischere und straffere 2014er.
Die Fassprobe des 2015 Vorderberg offenbart die Eleganz und Fülle des Flaggschiffes. Ein grandioser Wein, der mit dem Jahrgang 2012 zum Abendmenü neben dem Leithaberg 2009 allesamt überzeugte. Ein großer Wein der mit seiner Mineralität (Graphit) keinen Vergleich scheuen muss. Das geschmorte Lammhaxerl mit seiner leichten Rustikalität erwies sich als würdiger Partner. Die Salzigkeit der Weißweine setzte mit der Erdigkeit und Süße der roten Rüben den Kontrapunkt. Wiederum war es sehr spannend, den Muschelkalk weiß neben den beiden Neuburgern zu sehen. Ein superber Flight, der auch im Leergebinde der ausgetrunkenen Flaschen Bestätigung fand.
Zur darauffolgenden Variation vom Käse wurde ein paar der ganz wenigen Flaschen – es gibt nur 500 an der Zahl – des 2014 Breitenbrunner Ausbruchs eingeschenkt. Ein nicht alltäglicher Süßwein mit vorzüglicher Säure und leichter Tanninstruktur, der nicht einfach mit „nur süß“ abgestempelt wird.
Alles in allem haben wir einen hochspannenden Breitenbrunner Weintag hinter uns, der mit persönlichen Anekdoten von Martin und Adriana gespickt war. Die Verkostung am Nachmittag war bis auf den letzten Platz gefüllt und abends beim Winzeressen bog sich der Stammtisch vor Gläsern und Teller.
Danke für die Zeit und die tollen Weine!
Mehr zum Winzerpaar und ihrem Sortiment finden Sie hier.