Am WEINaugenschein: Alex Koblinger zu Gast im Weingut Müller.
„Alles Müller oder was?“, könnte mal schon einmal sagen, wenn mal mit Leo Müller an einem Tisch sitzt. Die Historie des Hauses geht bis ins Jahr 1270 zurück, auch wer seine Besitzer waren, ist bis 1461 dokumentiert.
Als Dependance der allmächtigen Klöster war der Hof auch als Weinzierlgericht bekannt. Seit 1936 gibt es eine eigene Grüner-Veltliner-Trauben-Selektion der Familie Müller. Damals wurden die 2 ha Weingärten von der Oma bewirtschaftet. 1989 übernahm Leo Müller den Betrieb, der 4,8 ha Weingärten umfasste. Gemeinsam mit seinem Bruder Stefan wurde das Weingut auf 120 Hektar vergrößert. Auch in den Weinkeller wurde investiert. Ein Weinkeller ist ein Weinkeller, gut und schön, aber die Müllers haben einen Weinkeller, der wirklich alles in sich vereint. 60 % des Kellers liegen verborgen im Hang. Die vier Stockwerke des Kellers sind perfekt, um mit der Schwerkraft arbeiten zu können. Neben einem Kühlhaus, um die Weine zu stabilisieren, verbirgt er noch viele weitere modernste technische Raffinessen.
Die Geschichte beweist uns: Hier in Krustetten ging und geht es rund. Genauso immens wie die Historie sind auch die Aufgaben, die in so einem Betrieb tagtäglich anfallen. So ist man natürlich gigantisch im Vorteil, wenn alle Familienmitglieder am selben Strick bzw. am Weinstock ziehen. Die Weingärten von Leo und Stefan Müller findet man im südlicheren Teil des Kremstals, rund um den Göttweiger Berg. Bodentechnisch hat man hier die Qual der Wahl, gibt es doch tiefgründige Lössböden und Konglomerat, bis hin zu kargen Urgesteinsböden. Den besten Überblick verschafft man sich auf der Dachterrasse des Weingutes mit ihrem grandiosen Weit- und Rundumblick.
Die Weine der Müllers zeichnen sich durch ihre Frucht und Klarheit aus. Die Palette ist nicht die kleinste, muss sie auch nicht sein, und wird penibel überwacht und protokolliert. So kann man jede einzelne Flasche auf die Parzellen und auf deren Cuvéetierung zurückführen, was dabei hilft, die Arbeit im Weingarten zu steuern und die Qualität zu verbessern. Auf äußere Bedingungen achtet und reagiert man natürlich ebenso, denn von stur dahinarbeiten halten die Müllers gar nichts. So wurde der Jahrgang 2018 zum Beispiel in der Nacht bzw. den frühen Morgenstunden gelesen. Das kennt man ja sonst nur aus den wärmeren Gebieten Europas oder aus Übersee und dient dazu die Frische in den Trauben zu behalten.
Schon die „Einstiegsweine“ der Müllers sind klare Vertreter ihrer Rebsorten mit einem frischen und fruchtigen Stil. Angefangen beim Grünen Veltliner Ried Kremser Kogl, der mit Kräutern, etwas Tabak und Grapefruit aufwarten kann, bis hin zum anderen Ende der Skala, zur Ried Gottschelle. Dieser Veltliner ist etwas ausladender und exotischer – der Tafelspitz lässt grüßen, aber bitte mit Apfelkren. Ringlotte, etwas Pfirsich und Raucharomen sind ebenso angenehm aufgefallen. Das Ziel Leo Müllers ist, Rebsorte und Herkunft optimal ins Glas zu bringen. Dieses Ziel hat er beim Riesling Ried Silberbichl definitiv erreicht. In der Schule würde er dafür einen römischen Einser ins Heft bekommen – wir nahmen darum gleich einen Karton für unseren privaten Weinkeller mit.
Nachhaltigkeit wird bei den Müllers großgeschrieben und man kann mit Stolz behaupten nachhaltig zertifiziert zu sein. Nachhaltig in Erinnerung bleibt uns auch unser Besuch am müllerischen
Weingut, mit seiner wunderbaren Geschichte und all den schönen Erinnerungen an das Gesehene. Bitte, bei der nächsten Kremstal-Tour einen Stopp in Krustetten einlegen, um sagen zu können: „Alles Müller oder was?!“
Alex Koblinger MS